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B L O G :

2016-09-01

MZIN NEWS: SPEX #370 — MAGAZIN FÜR POPKULTUR (D)

SPEX N° 370, die September/Oktober-Ausgabe 2016 – inklusive der SPEX-CD 133 mit zwölf Titeln. Die aktuellen Abo-Prämien finden sich hier. Weitere Informationen, Ergänzungen sowie ausgewählte Texte auf www.spex.de.
TITEL
M.I.A.: »Alle sind krank von dem Hass«
TEXT: Sasha Perera FOTOS: Roman Goebel STYLING: Kamilla Richter
Uniting People Since 2003
. Mit diesem Kampfspruch bewirbt Maya Arulpragasam ihr fünftes und letztes Album A.I.M.. Auf dem Scherbenhaufen dieser Welt steht M.I.A. wie keine andere Popkünstlerin dafür, dass Widersprüche dazu da sind, ausgehalten zu werden. Als Kind war sie von Sri Lanka ins Vereinigte Königreich geflüchtet, ihr Lebens­lauf weist, abgesehen vom Kurz­-vor­-Megastar-­Status, einem Super­bowl­-Stinkefinger und 1001 Kontroversen, viele Parallelen zu dem von Sasha Perera auf. Die in Berlin lebende Musikerin sprach mit M.I.A. über Irre und Ignoranz, Präsidentinnenhirne und Bäume.
Die Bombenbraut
TEXT: Hengameh Yaghoobifarah

Bescheidenheit ist eine Zier, heißt es. Bescheidenheit my ass, sagt M.I.A. Sie war von Anfang an ein bad girl, das auf Etikette scheißt und jedes Mittel im Kampf gegen das Verstummen nutzt. Hört die Signale!
SCHWERPUNKT: ALLES KAPUTT?
GONJASUFI: Der innere bin LadenTEXT: Daniel Gerhardt FOTO: Elizabeth WeinbergWelt am Draht, Künstler in den Seilen. Mit seinem neuen Album Callus baut der Gitarrist, Sänger, Produzent, Yogalehrer und Bongphilosoph Sumach Ecks alias Gonjasufi die Modellversion eines Planeten nach, auf dem schon bald nur noch Maden und Rechtspopulisten in ihrem eigenen Dreck leben könnten. Zugleich ernennt er sich zum Schmerzableiter der Welt und erklärt, wie ihm 40 Milli­onen imaginäre Leichen immer wieder das Leben retten.
EXPLODED VIEW: Nicht alles reinziehenTEXT: Fabian Ebeling FOTO: Andrea MartinezIhr Debüt Anika gilt als eines der besten Coveralben in der an Sensationen nicht armen Coveral­bum-Historie. Jetzt hat Annika Henderson eigene Songs geschrieben und sie in Mexico City verschenkt: an die Band Exploded View, mit der sie unserer Geilheit nach schlechten Nachrichten einen Spiegel vorhält. Man will es schließlich nicht jedem recht machen.
Wie wir leben wollen N° 13: Das Wesen der Brexokratie
TEXT: Georg SeeßlenAlles, was uns umgibt, ist fucking Krise. Finanzkrise, Staatskrise, Sinnkrise, Umwelt­krise, EU­-Krise. Der Ausnahmezustand ist die Legitimation dafür, sich der Macht unterzu­ordnen. Was aber, wenn die Krise zum Nor­malzustand geworden ist? Und zwar auf viel grauenhaftere und langweiligere Art, als wir es in den postapokalyptischen Szenarien der Popkultur genießen? Zu Zeiten des Volksab­stimmungspopulismus fragt man sich: Was ist das, Demokratie in der Krise?
TOMER GARDI & HAFTBEFEHL: Die deutsche Entspießungskur
TEXT: Dennis PohlWem gehört die deutsche Sprache? Für den israelischen Autor Tomer Gardi stellt sich diese Frage gar nicht. In seinem ersten deutschen Roman Broken German tummeln sich grundlegend falsche Grammatik und offengelegte Wortfindungsstörungen. Wie aus den Texten des deutsch-türkisch-zazaisch-kurdischen Rappers Haftbefehl spricht daraus der selbstbewusste Wunsch, eine Sprache der Minderheiten sicht- und hörbar zu machen. Und der Appell an alle Sprachkonservativen, sich locker zu machen. In 20 Jahren ist eh alles eingedeutscht.
(KEINE) ZEIT FÜR VERSCHLEISS: Loch ist immer gut
TEXT: Diana Weis FOTO: Johanna KleinDie Hose als Hilferuf: gestresst, mürbe und an den Rändern ausgefranst. Dem Trend zu distressed, destroyed und frayed denim gelingt, was der Mode heute keiner mehr zutraut – er bildet unseren kollektiven Seelenzustand ab.
PERSPEKTIVE
Viktoria Modesta – Prototyp einer verbesserten Welt

TEXT: Hartwig Vens FOTOS: Lukas Suchorab STYLING: Joanna HirViktoria Modesta nennt sich selbst »Bionic Pop Artist«. Sie ist Model, Musikerin, Aktivistin und ein wandelndes Kunstwerk. Im Spannungsfeld der Beschädigung respektive Verbesse­rung von Körpern, die einer konventionellen Norm nicht entsprechen, bündelt Modesta die Verbindungslinien von Technologie, Skulptur, Fashion und Emanzi­pation. Die Krüppelbewegung der Siebzigerjahre verwandelt sie in ein atemberau­bendes Prothesenballett. Dagegen wirkt Nichtbehinderung wie ein Handicap.
Vertrackte Dinge – Kleine Vorgeschichte zum Fetischcharakter von ProthesenTEXT: Karin Harrasser
EINKLANG
Neues aus Musik, Film, Literatur und Kunst
Mit Kelsey Lu, Rio Reiser, Sir Was, Joey Purp, Show Me The Body, Kanye & Udo, Shumona Sinha, Oscars, Emeka Ogboh
POPKULTUR / GESELLSCHAFT
NICK CAVE: Wenn die großen Hunde nicht mehr bellen
TEXTE: Kerstin Grether, Max »Drangsal« Gruber, Malakoff Kowalski, Hendrik Otremba, Frank WitzelDer Bleistiftstrauch gab ihm den Namen: Skeleton Tree. So heißt das 16. Studioalbum von Nick Cave & The Bad Seeds. One More Time With Feeling ist der Titel des zugehörigen Films von Andrew Dominik, der am Abend vor der Albumveröffentlichung in hunderten Kinos weltweit gezeigt wird. Und unser Name ist Hase. Wir wissen von nichts. Nicht ein Ton war vorab zu hören, nicht eine Einstellung zu sehen, der Künstler hüllt sich in Schweigen. Daher baten wir eine Reihe von Musikern, Schriftstellern und Cave-Verehrern, ihren Bleistift zu spitzen und sich an die Schreibmaschine zu setzen. Sie schrieben Gedichte, komponierten Songs und malten sich aus, wie sie klingen könnte, die Musik von Skeleton Tree.
YO FUTURE: Londons neue Grime Minister
TEXT: Florian Obkircher FOTOS: Olivia RoseDer Punk des 21. Jahrhunderts war nie tot. Aber derzeit ist er lebendig wie schon lange nicht mehr. In der von ringsum grassierendem Rassismus, von Rechtsrutsch und Zukunftsangst geprägten Remain-Insel London steht Grime wie kein anderes Genre für den Drang nach vorne. Dank MCs wie Skepta, Novelist, Lady Leshurr und Stormzy ist der genuine UK-Rap so populär wie nie zuvor. Ihre Geschichte führt vom Hochhausblock aus der Versenkung bis nach Übersee.
EL PERRO DEL MAR: Mutti managt die Krise
TEXT: Jennifer Beck FOTO: Felix OdellSarah Assbring hat einen Sohn geboren, jetzt ist sie hoffnungsschwanger. Unter dem Namen El Perro Del Mar kultivierte die Schwedin 13 Jahre lang eine zünftige Be-bop-a-lula-Depression. Nun beendet ihr sechstes Album Kokoro den persönlichen Blues, während aller Welt zum Heulen zumute ist.
GENESIS BREYER P-ORRIDGE: »Das Leben ist wunderbar, wenn man
es fließen lässt«
TEXT: Ulrich Gutmair FOTOS: Jan MalinowskiSandwiches mit Nachos. Genesis Breyer P-Orridge verdrückt in einem Berliner Hotel die Reste eines ungesund aussehenden Frühstücks, neben sich auf dem Tisch eine Puppe. Der einstige Kopf der Industrial-Band Throbbing Gristle spricht meist im Plural von sich, wie es Transpersonen im angel-sächsischen Sprachraum gerne tun. »Wir« erzählt vom Publikum der jüngsten Europa-Tour von Psychic TV und benutzt dabei so schöne altmodische Adjektive wie »rowdy« – als sei P-Orridge eine nette britische Pensionärin und nicht einst im House Of Commons als »Zerstörer der Zivilisation« bezeichnet worden.
EXPORTSCHLAGER: Dance Music made in Germany
TEXT: Tobi Müller FOTOS: Christoph GabrielHumpta-gute-Laune-Musik aus Osnabrück und Wismar feiert weltweit Erfolge, wie es seit mehreren Jahrzehnten keine Popmusik aus deutschen Landen mehr getan hat. Doch wer etwas auf sich hält, ignoriert die Remixe und Tracks von Felix Jaehn oder Robin Schulz. Weil sie tatsächlich so schlimm sind? Oder weil in diesem Pausenhof- und Wartezimmer-House mehr Traditionslinien stecken, als einem lieb ist?
DE LA SOUL & DIGABLE PLANETS: Zweimal drei gegen Rap-Individualismus
TEXTE: Wenzel Burmeier FOTO: Phil DunlopVom Musikgeschäft wollten De La Soul nichts mehr wissen. Einst als intellektuelle Hip-Hop-Hippies gefeiert, kämpften sie lange Jahre mit Labels um kreati- ven Raum. Heute sind sie eine der wenigen Rap-Bands, die es noch gibt – und die erste, die ein Album per Schwarmfinanzierung stemmt. Das Gespräch in London zwischen Fototermin und Hi-Fi-Boutique-Listening-Session verlegt das New Yorker Trio kurzerhand ins Taxi. Während David Cameron seinen letzten Amtstag absolviert, wünschen sich Dave Jolicoeur, Posdnuos und Maseo mitten im Verkehrschaos nichts weniger als eine bessere Welt.
Vorspiel für ANGEL OLSEN: »Verglichen mit Prince bin ich Normcore«TEXT & MUSIKAUSWAHL: Steffen Kolberg FOTO: Christoph MackBisher kümmerte sich Angel Olsen vor allem um die Veredelung von Indie-Folk. Und zwar derart gewissenhaft, dass ihr Album Burn Your Fire For No Witness auf Platz zwei der SPEX-Jahrescharts 2014 landete. Für ihr neues Werk My Woman tauscht die US-Amerikanerin ihre Gitarre immer wieder gegen Klavier und Synthesizer aus: Sie hat die Achtzigerjahre für sich entdeckt. Beim SPEX-Vorspiel schwärmt sie von der »sehr schönen Musikrichtung« Synth-Pop und dem großen Vorzug des Kleinstadtlebens: dass man nie da ist.
THE GET DOWN: Wenn ich ein Turnschuh wär
TEXT: Arno RaffeinerBaz Luhrmann weiß, dass die beschissenen Siebzigerjahre in New York schon einmal zu oft glorifiziert wurden. Trotzdem tut er so, als würde auch er die ganz große NYC-Story erzählen: wie ein paar Ghetto-Kids mit nichts als geklauten Plattenspielern, Mikros und Sprühdosen die Welt verändern. Dabei ist The Get Down, Luhrmanns TV-Serie über die Geburtsstunde von Hip-Hop, vor allem eins: Liebeserklärung an unseren verklärten Blick zurück. SPEX schaute zu bei der minutiösen Rekonstruktion von Schuttbergen.
LAURE PROUVOST: Einiges zu schlucken
TEXT: Fiona McGouvernSelten war es erfreulicher, ein Gespräch gleich zweimal verschieben zu müssen. Angesichts der Tatsache, dass häufig schon ein Kind für Künstlerinnen als Karrierekiller gilt, ist es eine ziemliche Genugtuung, dass Laure Prouvosts zweites Kind nun den Takt für das Interview vorgibt. Es passt zu dem Bild von ihr, das vor drei Jahren durch die Kunstwelt ging: Hochschwanger hatte die multimedial arbeitende Künstlerin 2013 den Turner-Preis entgegengenommen, ihr Erstgeborenes wurde ihr auf der Bühne zugereicht. Ein symbolischer Akt?
KOLUMNEN
Der Rote Planet
Robert Misik analysiert den Status Quo der modernen Linken
Wiener Coole
ILLUSTRATION: Patrick Klose
Pofalte
Holger In't Veld schreibt über die Abgründe des täglichen Ernährungswahnsinns
Küche against Burn-out
ILLUSTRATION: Patrick Klose
Taxi für Rützel
Aus den Speakern der Droschke offenbart sich Anja Rützel die Welt
Schlafes Liste
ILLUSTRATION: Patrick Klose
KRITIKEN
Album der Ausgabe: JENNY HVAL Blood Bitch
Außerdem Rezensionen zu Roosevelt, Matthias Arfmann, Preoccupations, Okkervil River, Banks, Noura Mint Seymali, Mykki Blanco, Lucy Dacus, Schwabinggrad Ballett / Arrivati, Dinosaur Jr., Factory Floor, Wrangler, Pixies, Portable, Sampha, Holly Miranda, Adiam, Sanford Parker, Deap Vally, Half Girl, How To Dress Well, Soundwalk Collective With Jesse Paris Smith feat. Patti Smith, Trentemøller, All diese Gewalt, Nao u.v.a.
Present Shocks – Elektronische Musik zur Zeit mit Kristoffer CornilsFour Tet, Non Quarterly, Erelitha
Gegenwartskunde – Popwelt mit Klaus Walter
Alan Vega, Bernie Worrell, Prophets Of Rage, Goa
Punchzeilen – Rap mit Marcus Staiger
Marvin Game, Mc Bomber, Coup
Odyshape – Selten gehörte Musik mit Joachim Ody
Mika Vainio, Pan Sonic, Masayoshi Fujita & Jan Jelinek, Steve Maclean
XXXI – Von Diedrich Diederichsen
Yannis Kyriakides, Lawrence English, Michael Wertmüller, Lok 03+1
Filmkritiken
Alles was kommt, Mr. Robot, Raving Iran
Buchkritiken
Almut Klotz – Fotzenfenderschweine, Hubert Fichte – Ich beiße dich zum Abschied ganz zart. Briefe an Leonore Mau, Jens Balzer – Pop. Ein Panorama der Gegenwart
SPEX CD 133
ZUSAMMENSTELLUNG: Dennis Pohl
1. Angel Olsen – »Shut Up Kiss Me«
2. Dinosaur Jr. – »Good To Know«
3. Mykki Blanco – »The Plug Won't«
4. Factory Floor – »Ya«
5. Portable – »This Frozen Lake« (feat. Kinoo)
6. Exploded View – »Orlando«
7. El Perro Del Mar – »Hard Soft Hard«
8. Preoccupations – »Anxiety«
9. Jenny Hval – »Conceptual Romance«
10. Okkervil River– »The Industry«
11. Roosevelt – »Fever«
12. Messer – »Niemals«
--- euro 5.90