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B L O G :

2016-06-30

MZIN NEWS: CAMERA AUSTRIA #134 — INTERNATIONAL PHOTOGRAPHY (AUT)

Radikalität im Denken und Handeln sowie das Durchkreuzen und Überwinden von bildnerischen Konventionen verbinden die vier hier vorgestellten KünstlerInnen. Die flirrenden visuellen Erscheinungen ihrer Bildwelten verweisen auf spezifische ästhetische Erfahrungen sowie ästhetisches Wissen. Alltagskulturelle Oberflächenästhetiken der Gegenwart sind ihnen genauso kritischer wie verführerischer Bezugspunkt wie die Reinheitsdiskurse oder kanonisierte Vorstellungen über Kunst. Sie arbeiten an Formen der Durchlässigkeit, verharren offensiv in Zonen des Übergangs und sensibilisieren mit ihren provokativ-überzogenen bis campen Gesten für andere, hybride Kontexte der Wahrnehmung.
Annette Frick kommt aus der Punkbewegung und konzentriert sich als Künstlerin mit feministischem Anliegen auf das Porträt. Es ist eine beharrliche fotografische Arbeit gegen das Establishment, mit der sie seit gut zwanzig Jahren eine Gruppe von Menschen in Berlin begleitet, die in Nischen jenseits heteronormativer Ordnungen lebt und mit Flamboyance, Dekadenz, Glam und karnevalesker Travestie trotz oder gerade wegen aller historischer und gegenwärtiger krisenhafter Momente, die quer zu ihren Selbstentwürfen liegen, zu einem eigenen Selbstverständnis aufbricht. Darüber spricht Anette Kubitza mit der Künstlerin.
Stefanie Seibolds neueste skulpturale und fotografische Arbeit ist in ihrem bildnerischen Ausdruck klar dem Postminimalismus zuzuordnen. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass sie ein neues Formenvokabular vorschlägt, das ihrem Anliegen geschuldet ist, Queerness jenseits von Diskursen rund um den Körper zu denken. Radikaler: Sie spaltet ihn davon ab. Damit gelingt ihr ein völlig neuer Zugriff auf die politischen Agenden der Queer Theory. Gabriele Schor diskutiert mit Stefanie Seibold über diese Arbeit.
Ken Okiishi arbeitet mit der Hybridität digitaler Bildoberflächen, so wie sie unseren netzbasierten Alltag dominieren, und entwickelt eine Werkform, die nicht zwingend die Flüchtigkeit der elektronischen Informationsvermittlung kritisch reflektiert, sondern mit der zuallererst eine materielle bildnerische Qualität behauptet wird. Der Einstieg in seine Arbeit funktioniert zuerst über das Bild als gesetzte ästhetische Erscheinung. Mit einem Eintauchen in die tieferen Schichten seiner Screens vermittelt sich gleichermaßen eine Entzauberung kanonisierten Wissens. Ob seine manierierten Arbeiten auch als melancholische oder campe Gesten im Kunstbetrieb verstanden werden können, darüber spricht Kirsty Bell mit dem Künstler.
Ähnlich wie Ken Okiishi dockt Isa Genzken mit ihrer Arbeit unmittelbar an die Gegenwart und ihre alltagsästhetischen Erscheinungen an. Wie kaum ein anderes Werk war und ist ihre Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten wie ein gleichermaßen konstanter und (produktiv-)beunruhigender Unterton immer präsent. Mit ihren aktuellen Ausstellungen in Amsterdam und Berlin hat sich erneut ein Rezeptionswandel vollzogen, die Künstlerin wird gefeiert. Warum das so ist, was diese deutlich veränderte Rezeption über unsere Gegenwart aussagt beziehungsweise welche neuen Bezüge wir heute aufspannen, wenn wir das Werk von Genzken betrachten, darüber spricht Beatrix Ruf.
Seit über 25 Jahren gibt es nun schon die von der Künstlerin Friedl Kubelka gegründete Schule für künstlerische Photographie, Wien. Anlass genug, das Forum dieser Schule zu widmen. Ihre Leiterin, die Künstlerin Anja Manfredi, hat sechs junge KünstlerInnen ausgewählt.
Ich danke den KünstlerInnen und AutorInnen für die gemeinsame Arbeit an dieser Ausgabe von Camera Austria International und Reinhard Braun und der Redaktion für die Einladung, sie als Gastredakteurin inhaltlich zu konturieren.
Maren Lübbke-Tidow
Juni 2016
Cover: Isa Genzken / Wolfgang Tillmans, from the series: Atelier, 1993. B/w photograph, 40 × 30 cm.
Courtesy: Galerie Buchholz, Cologne/Berlin/New York.