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2014-12-19

MZIN NEWS: FORM #257 — DESIGN MAGAZINE JAN/FEB 2015 (D)

Design.
Für seinen Fragebogen wollte kürzlich das Branchenblatt Journalist unter anderem folgendes von uns wissen: „Wie immer mit Bitte um Nachsicht: Es gibt noch immer Menschen, die ,Form‘ nicht kennen – wie erklärt man ihnen, worum es sich handelt?“ Bemüht ironisch hätten wir uns für eine der drei vorgegebenen Antworten – a) Sowas wie eine Alltagsvogue, aber ohne Models. b) Wir sehen aus wie Brand Eins, aber wir hatten die Idee früher. c) Schön und unverständlich. – entscheiden können. Haben wir aber nicht, sondern schlicht, einfach und humorlos mit „Design“ geantwortet. Wer seine Bahn wegen der komplizierten Nutzerführung des Fahrkartenautomaten verpasst, vor lauter Abdeckungen keinen Zugang mehr zur Batterie seines Autos hat oder wegen ergonomischer Missgestaltungen seine Gesundheit ruiniert – alles übrigens im Namen von Sicherheit und Gerechtigkeit –, weiß bereits ganz genau, was schön und unverständlich ist, unterscheidet Ideen nicht nach früher oder später und braucht schon gar keine Alltagsvogue. Die- oder derjenige hat andere Ansprüche ans Design und dem tragen wir mit und in der form Rechnung.


Kontext.
Nun verhält es sich mit Bedürfnissen nicht so, dass sie ein für alle Mal klar definiert wären. Sie ändern sich im Laufe der Zeit, verwickeln sich in Widersprüche und stehen mitunter zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Interessen entgegen. Daher hilft bei Problemlösungen auch selten der eine große Entwurf weiter. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass oft viele kleine Schritte zum Erfolg führen, mit all ihren Kompromissen und Zwischenlösungen, bei der Produktion von Kunstschnee oder der Suche nach Schneealternativen beispielsweise, beim Umgang mit dem Problem Obdachlosigkeit, bei der Planung von atmosphärisch angenehmen Räumen oder alternativen Herstellungsmethoden von Leder. Uns geht es dabei nicht darum, perfekte Lösungen, sondern Wege vorzustellen, auch wenn wir diese Wege weiterhin kritisch betrachten – was uns Diskussionen mit den wegbereitenden Designern und Produzenten einbringt.


Situation.
Die Widersprüchlichkeit von Bedürfnis und Interesse begegnet uns auch bei unserem Schwerpunkt, in dem wir uns verlassenen und zu verlassenden Orten widmen. Wir beschäftigen uns mit einer Architekturtheorie der Umnutzung, begeben uns auf einen historischen Streifzug, gehen der gesellschaftspolitischen Verantwortung bei der Gestaltung öffentlicher Räume nach, eruieren, welche Bedeutung Pop-up-Stores heute für den Handel haben und sprechen mit einem Experten über das menschliche (Flucht-)Verhalten im Katastrophenfall.

Unter dem Aspekt der Designkritik haben wir uns schließlich die nonchalant-ironischen Filme von Jacques Tati angeschaut. Wenn Sie vor, während oder nach den Feiertagen einer kleinen Auszeit bedürfen, seien Ihnen die Erlebnisse des Monsieur Hulot oder des Briefträgers François sehr herzlich empfohlen. Die Premiere wie auch das Wiedersehen lohnen sich.


Stephan Ott, Chefredakteur


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